Im Interview mit Mehrdad Zaeri
Lieber Mehrdad, was hat Dich daran gereizt, den „Krabat“ neu zu illustrieren? Welche Bedeutung hat das Werk für Dich?
Die Geschichte Krabats begleitet mich nun seit ca. 35 Jahren. Meine erste Begegnung mit diesem Buch hatte ich in meiner Schulbibliothek in der internationalen Gesamtschule in Heidelberg. Damals war ich noch nicht so lang in Deutschland und musste mich beim Lesen mühsam durch den Buchstabendschungel der deutschen Sprache hindurch kämpfen. Die Geschichte packte mich trotzdem so sehr, dass ich das Buch bis zum Ende las. Das passierte mir in der Lebensphase um 18 nur noch mit Kafka. Mich faszinierte an diesem Buch, damals wie heute, dass es konsequent und mutig von dunklen und hellen Momenten des Lebens erzählt. Die Kontraste zwischen Glück und Verhängnis, Hell und Dunkel, Liebe und Hass und schließlich Leben und Tod werden im Text von Otfried Preußler offen und schonungslos dargestellt. In diesem Buch stelle ich immer wieder fest, dass junge Leser:innen genauso ernst genommen werden wie Erwachsene.
Inwiefern war es eine Herausforderung, sich mit einem so bekannten Stoff zu beschäftigen und eigene, neue Ansätze zu finden?
Ja, wie illustriert man eine Geschichte, die schon seit Jahrzehnten einem breiten, internationalen Publikum bekannt ist? Wie zeichnet man Bilder, die schon so lange fest in den Köpfen und Herzen der Menschen getragen werden? Genau das war für mich der Grund, es einmal zu probieren. Bei so einer Arbeit geht es darum, die eigenen Bilder zu zeichnen, sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig die Gefühle der vielen Menschen zu berücksichtigen, die diese Geschichte genauso lieben. Ich nahm mir zwei Jahre Zeit und zeichnete fast doppelt so viele Bilder als benötigt und warf immer wieder die Zeichnungen raus, die nicht ganz meine eigenen Kriterien erfüllten. Bei den Überlegungen bekam ich große Unterstützung von meiner wundervollen Lektorin Katharina Ebinger und meiner geliebten Lebenspartnerin und Arbeitskollegin Christina Laube. Diese zwei Frauen waren stets mein Kompass.
Deine Illustrationen sind vollständig in schwarz-weiß angelegt und erinnern an Kohlezeichnungen, sind aber digital entstanden. Kannst Du uns etwas zu Deiner Technik und zur Bildentstehung erzählen?
Ich habe die ersten 20 Jahre meines künstlerischen Lebens mit Papier, Tinte, Bleistift, Radiergummi und Filzstiften verbracht. Damals konnte ich es mir nicht vorstellen, dass ich eines Tages ein vollkommen anderes Medium verwenden würde, um die Bilder aus meinem Kopf auf Papier zu bringen. Vor circa 15 Jahren begann ich meine ersten digitalen Schritte zu gehen. Damals zeichnete ich die ersten Stufen einer Zeichnung mit Stift und Papier vor und kolorierte und bearbeitete alles anschließend am PC. Über die Jahre hat sich die digitale Technik in unvorstellbar großen Schritten weiterentwickelt. Heute zeichne ich nicht mehr am PC, nicht mehr am Laptop, nicht mehr mit der Maus. Heute habe ich mein Tablet, dessen Format vergleichbar mit einem DIN A4 Blatt ist. Auf diesem Tablet kann ich ganz normal mit einem Stift zeichnen. Ich kann den Stift auf verschiedene Techniken einstellen. So können die von mir gezeichneten Striche und Farbflächen wie Aquarell, Tusche, Kohle und viele weitere Techniken aussehen. Ich kann selbst bestimmen, ob die Malfläche farbig, weiß, rau oder glatt aussehen soll. Ich kann auf meinen Reisen in Zügen, Hotels oder zuhause in meinem Bett bis mitten in der Nacht zeichnen. Es ist nicht mehr notwendig, all die vielen Stifte und Utensilien mit mir durch die Gegend zu tragen, nur um zeichnen zu können. Es gibt nach meiner Meinung zwei Gruppen von Kunstschaffenden: Die, die den Fokus auf das Spiel mit dem Material und seiner Sinnlichkeit legen und diejenigen, die auf der Suche nach dem absoluten Motiv sind und denen das Material auf dem Weg zu diesem Ziel weniger wichtig ist. Ich gehöre mehr zu der zweiten Gruppe, auch wenn ich den Genuss des „Materialspiels“ durchaus kenne und sehr liebe. Und das Allerwichtigste: Das digitale Zeichnen fühlt sich für mich inzwischen genauso sinnlich und emotional wie die herkömmliche, analoge Arbeit