Mein Kind will nicht lesen - 10 Tipps zur Lesemotivation
1. Vergiss nie die Macht des Vorbilds!
Wenn Du selbst das Lesen wichtig findest, wenn Du sichtlich gerne liest, wenn bei Euch zu Hause ganz selbstverständlich Lesestoff herumliegt, gibst Du Deinem Kind etwas mit auf den Weg, was ihm keiner mehr nehmen kann: ein Gefühl für den Wert des Lesens. Auch wenn Dein Kind trotzdem erst mal nicht gut und/oder gerne liest, profitiert es – langfristig gesehen – sehr wohl davon.
2. Wundere Dich nicht nicht über die Macht des fehlenden Vorbilds!
Wenn Du selbst mit dem Lesen eher wenig am Hut hast, wenn Dir Vorlesen zu anstrengend oder zeitaufwändig ist, wenn Bücher und Zeitschriften in Eurem Zuhause eher Seltenheitswert hat, darfst Du Dich nicht wundern, wenn auch Dein Kind das Lesen nicht so cool findet und keine Lust hat, sich fürs Lesenlernen anzustrengen. Eltern sind nun mal die größten Vorbilder für ihr Kind.
3. Zieh keine vorschnellen Schlüsse!
Wenn es nicht klappen will mit Deinem Kind und dem Lesen, muss das noch lange nicht heißen, dass Dein Kind „einfach nur mehr üben muss“. Warum Dein Kind nicht gut und gerne liest, kann vielerlei Gründe haben, z. B. eine Legasthenie, eine Sehstörung, eine rezeptive Sprachentwicklungsstörung und viele weitere. Dazu braucht es eventuell unterstützende Fachleute, denn Lehrkräfte können dies nicht alleine stemmen.
4. Mach Dir die Bedeutung der Leseflüssigkeit bewusst!
Wenn Dein Kind sehr langsam und stockend liest, versteht es meist nicht, was es gelesen hat. Es gibt eine Reihe von bewährten Möglichkeiten, die Leseflüssigkeit zu verbessern. Idealerweise kommen sie in der Schule zum Einsatz, aber auch Du oder Fachkräfte (siehe nächster Tipp) können hier helfen.
5. Nimm schulergänzende und außerschulische Leseförderung dankbar an!
Menschen, die professionell Leseförderung betreiben, können den Hebel vermutlich besser ansetzen als genervte Eltern und stark geforderte Lehrkräfte. Wenn es diese Chance für Dein Kind gibt, nutze sie unbedingt! Nimm auch die Angebote der Büchereien an.
6. Unterschätze nie die Bedeutung des Leseselbstkonzeptes!
Wenn Dein Kind sich mit dem Lesen schwertut, nimmt es sich selbst als schlechte*n Leser*in wahr, es hat also ein schlechtes Selbstkonzept von sich als Leser*in. Damit dies nicht irgendwann zur Überzeugung „Ich bin einfach kein*e Leser*in!“ führt, müssen auch kleine Fortschritte spürbar und sichtbar werden, das Kind muss stolz auf sich sein können und immer wieder das Gefühl haben: Das mit dem Lesen klappt jetzt schon ein bisschen besser. Gut kann man Fortschritte z. B. sichtbar machen, wenn man die gesteigerte Lesegeschwindigkeit misst.
Die Leichtlesereihe #LeseChecker*in
7. Sei argwöhnisch, wenn es um lesemotivierende Maßnahmen geht!
Wenn man Dir Leseförderung für Dein Kind verspricht, geht es oft um Maßnahmen, die der Lesemotivation dienen sollen, sprich: die den Spaß am Lesen fördern sollen. Wenn Dein Kind aber noch nicht flüssig lesen kann, können genau diese Maßnahmen eine Verschlechterung seines Leseselbstkonzeptes bewirken, weil sie sie ihm seine Schwäche überdeutlich vor Augen führen. Vorlesewettbewerbe zum Beispiel sind für sehr gut lesende Kinder eine willkommene Herausforderung, für andere das Gegenteil. Versuch lesemotivierende Maßnahmen also unbedingt aus dem Blickwinkel Deines Kindes zu sehen!
8. Achte auf angemessenen Lesestoff!
Wer mag schon etwas lesen, das ihn überfordert oder langweilt?! Deshalb ist es enorm wichtig, dass der Lesestoff zu Deinem Kind passt - sowohl vom Inhalt als auch vom Umfang her. Beim Umfang wiederum spielen die Anzahl der Seiten, die Anzahl der Sätze pro Seite, die Schwierigkeit der Wörter sowie Schriftart und -größe eine Rolle. Auch auf die Altersempfehlungen ist nicht immer Verlass. Du musst wirklich Dein Kind im Auge haben!
Kleine Lesehelden - Die Erstleser-Reihe
9. Betrachte jedes Lesen als Erfolg!
Wenn Dein Kind einen Comic anschaut, wenn es die Sonderangebote des ortsansässigen Elektromarktes durchforstet, wenn es beim Gamen Aufträge befolgt, wenn es in einem Chat Nachrichten austauscht … – es liest dabei auch. Mach ihm dieses Lesen nicht madig! Freu Dich über jegliches Lesen! Und wenn Dein Kind Literatur liest, die Du schrecklich findest, vertraue darauf, dass es auch so seinen persönlichen Geschmack entwickelt. Hauptsache, es liest!
10. Tue alles, was in Deiner Macht steht, dass das Lesen mit positiven Gefühlen verknüpft ist!
„Du musst endlich mehr üben!“ „Kannst du denn nicht aufpassen, du hast das schon wieder falsch gelesen!“ „Du betonst ja gar nicht!“
Kommen Dir solche Sätze bekannt vor? Verständlich! Aber dennoch fatal! Je mehr das Kind das Lesen mit negativen Gefühlen verbindet, umso mehr wird es sich vorm Lesen drücken. Lass die Sache von Anfang an schön gemütlich mit dem Vorlesen losgehen und lies auch noch vor, wenn das Kind längst lesen kann oder können sollte – sofern Dein Kind das möchte! Auch wenn Du noch so viel um die Ohren haben – ein paar Minuten Vor- oder Abwechselnd-Lesen in kuscheliger Atmosphäre und ohne (Handy-)Unterbrechungen verstärken die Bindung zwischen Dir und Deinem Kind und die postiven Gefühle Deines Kindes gegenüber dem Lesen.
Heidemarie Brosche
Heidemarie Brosche war bis bis 2020 Lehrerin an einer Brennpunktschule. Außerdem ist sie Kinder-, Jugend- und Sachbuchautorin. Für ihr Engagement für Leseförderung und Bildungsgerechtigkeit wurde sie 2020 mit dem Volkacher Taler der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. Ihre Website lautet: www.h-brosche.de.