Christian Nürnberger im Interview
Mit „Keine Bibel“ hat Christian Nürnberger einen Crashkurs für alle geschrieben, die die Bibel verstehen, aber nicht Tausende Seiten lesen wollen. Im Gespräch erzählt er mehr darüber, was hinter dem Buchprojekt „Keine Bibel“ steht.
Lieber Herr Nürnberger, „Keine Bibel“ – wie ist das gemeint?
Die Bibel ist ein dickes, sperriges, schwer verständliches Buch und liest sich leider nicht wie ein moderner Roman. Daher habe ich ein Buch geschrieben, das den Zugang leicht macht für Menschen, die gern wüssten, was da eigentlich drinsteht in dieser Bibel. Die Leser erfahren, um was es im Wesentlichen geht, was es damit auf sich hat und warum das alles heute noch wichtig ist. Übrigens nicht nur für Gläubige, sondern auch für Ungläubige.
Sie verfolgen nicht die Absicht, Glauben zu wecken oder gar Andersgläubige oder Atheisten zum Christentum zu bekehren?
Nein, überhaupt nicht. Ich betätige mich als eine Art Touristenführer, der interessierte Menschen von Geschichte zu Geschichte führt, damit sie hinterher zumindest erahnen, wie diese Geschichten aus der uns fremden Antike miteinander zusammenhängen, und wie sehr sie unsere Kultur, unser Denken, unsere Sprache beeinflusst haben. Die Bibel ist immerhin das zentrale Buch unserer Kultur und darum das Buch, ohne das man nichts versteht.
Und was ist der zentrale Kern der Bibel?
Alles, was es gibt und das Leben zwischen den Menschen bestimmt, kommt in der Bibel vor: Liebe, Gier, List, Hass, Neid, Macht, Sex, Mord, Geld, Mut, Glück, Pech, Tod, Schwindel, Frevel, Laster, Betrug, Wunder, Rettung, Strafe, Verdammnis, Vergebung und Barmherzigkeit. Vieles wird in der Sprache alter Mythen erzählt. Aber hinter den Mythen verbergen sich Wahrheiten und Konflikte, die uns auch heute noch angehen. Und in ihnen, in diesen alten Mythen, stecken die ältesten Wurzeln von Aufklärung, Demokratie, Freiheit, Menschenrechten und allem, was unsere europäische Kultur ausmacht.
Die Kernbotschaften der Bibel sind also nach wie vor aktuell. Ist die „Übersetzungsarbeit“ aber für jeden leistbar?
Ja, das ist leistbar. Viele werden erstaunt sein, wie modern und human die Bibel, auch und gerade das Alte Testament, ist. Da gibt es beispielsweise schon so etwas wie ein Asylrecht. Und es gibt weitere Forderungen, die heute allesamt in unserem Grundgesetz stehen, wie zum Beispiel: Es darf keinen Armen geben. Gerechtigkeit soll herrschen. Flüchtlingen muss geholfen werden. Mächtige dürfen, ja sollen kritisiert werden. Der Ziegenhirt in seinen Lumpen zählt vor Gott genau so viel wie der Pharao in seiner Pracht. Und schließlich die Lösung des Gewaltproblems: Auch deine Feinde sollst du lieben.